Da meine Zeit im wunderschönen Wales bereits eine ganze Weile her ist, schwelge ich immer häufiger in Erinnerungen. Die Frage „Was hast du heute vor einem Jahr gemacht“ begleitet mich fast tagtäglich im gewohnten Unialltag. Klar ist auf jeden Fall, dass ich einen echten britischen Kulturschock hatte, was ich gar nicht für möglich gehalten hatte. Und das nicht nur zu Beginn meiner Zeit in Großbritannien, sondern auch noch ein paar Monate später, als ich immer wieder Unterschiede zur deutschen Mentalität entdeckte. Als ich dann nach dem Semester wieder richtig in Berlin ankam und wieder normal die Uni besuchte, fiel mir auf, wie sehr ich mich angepasst hatte. Das war dann Kulturschock Nummer 2, in meinem Heimatland, Deutschland. Ist das überhaupt möglich? Wer weiß… Nach den vergangenen Monaten gucke ich nun endlich zur richtigen Seite beim Überqueren einer Straße und bin mit dem Kopf wieder ganz angekommen. Doch so wirklich lässt es mich nie los. Ob es morgens der Porridge zum Frühstück ist, der Drang zur Tea Time einen schwarzen Tee mit Milch zu schlürfen oder den Busfahrer zu grüßen (was in Berlin übrigens für viel Verwirrung sorgt).
Als Sehnsuchtbekämpfungsmittel habe ich also eine schockierend lange Liste über Unterschiede erstellt. Ob es nun einfach meine Melancholie ist, die ich teilen möchte, oder ob vielleicht ein paar hilfreiche Knowhows für die nächste Reise nach Großbritannien versteckt sind, dürft nun ihr entscheiden.
Straßenverkehr
- Ganz offensichtlich fahren die Menschen hier auf der falschen Straßenseite, was mich immer wieder beim Überqueren viel Konzentration kostet.
- Es gibt enorm viele Kreisverkehre. Außerdem war ich ganz perplex als der Busfahrer linksherum in den Kreisverkehr eingefahren ist.
- Es gibt hier so ziemlich alle Geschwindigkeitsabstufungen zwischen 5 und 80 mph.
- An sämtlichen Tankstellen werden nur Diesel und Benzin verkauft und keine 5 verschiedenen Varianten davon. Der Diesel ist hier noch dazu teurer.
- Wie bereits in meinem Artikel aus Betws-y-Coed erwähnt, ist das Laufen entlang einer Straße manchmal etwas gefährlicher. So endete an einer gut befahrenen Landstraße plötzlich der Fußgängerweg. So war es sehr abenteuerlich an einer kniehohen Mauer entlang zu laufen, wobei es rechts davon steil abwärtsging und es links kaum 50cm Seitenstreifen bis zu brausenden Autos, Lastern und Bussen gab. Wichtig ist dabei auf der rechten Seite zu laufen und sich eventuell vorm Antritt der Wanderung über einen alternativen Weg zu erkundigen!
- Die Nummernschilder der Autos sind meistens gelb ohne ersichtliche strukturierte Anordnung der Buchstaben und Zahlen.
- Alle Menschen laufen hier bei Rot über die Straße. Ich war die einzige, die immer brav gewartet hat. Wenn man allerdings Ewigkeiten an einer Straße steht ohne dass ein Auto kommt oder die Ampel Anstalten macht umzuschalten, zweifelt man schon an der Sinnhaftigkeit stehen zu bleiben.
- Wer auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Fußgängerampel erwartet, sucht mancherorts vergebens. In Liverpool sind die Männchen meistens auf der gleichen Seite angebracht, auf der man steht.
- Auf den Schildern „Vorfahrt gewähren“ steht für jeden, der seinen Führerschein geschenkt bekommen hat, noch einmal deutlich „Give Way“ (Vorfahrt gewähren) geschrieben.
- Straßennahmen stehen nicht an jeder Kreuzung. Außerdem sind die Schilder entweder an Wänden oder auf zwei Pfeilern in Kniehöhe befestigt.
Öffentliche Verkehrsmittel
- Achtung, Busfahrer fahren auch mit offener Tür an bzw. öffnen die Tür auch schon vor der Haltestelle.
- Ein liebes „Thank you“, „Goodbye“ oder „Cheers“ beim Verlassen des Busses gehört immer dazu.
- Es gibt nur eine Bustür durch die natürlich alle Passagiere aus- und danach erst einsteigen können. Hier kennt man noch ein paar Manieren im Gegensatz zu so manchen Ecken in Berlin.
- Busse haben meistens weder Ansagen noch Anzeigen, weshalb GPS und Google Maps für mich unverzichtbar waren, um zu erkennen, wann ich auf Stopp drücken muss.
- Das Aussteigen ist hier auch außerhalb von Bushaltestellen möglich, wenn man den Busfahrer nur mal lieb fragt. Wer winkend am Straßenrand steht, wird auch wieder eingesammelt. In Berlin würde der Busfahrer wahrscheinlich ebenfalls winkend an dir vorbeifahren.
- Es gibt diverse Busunternehmen, die auch keine sonderlich klar ausgewiesenen Fahrzeiten oder Streckenpläne haben.
- Wales öffentlicher Nah- und Fernverkehr basiert fast ausschließlich auf Bussen mit nur ein paar wenigen Bahnen als Ausnahmen.
- Der Busfahrer ist dein bester Freund. Du kannst ihn immer um Wegbeschreibung bitten, sie sparen dein Geld durch Tagestickets und plaudern auch gern ein wenig mit dir.
- Sehr verbreitet ist freies WLAN in Bussen. Nachdem man kurz mal alle Daten über sich Preis gegeben hat, kann man schon das Internet nutzen und auch in der größten Pampa mal etwas recherchieren.
- Faustregel: Es gibt immer irgendwo einen Kreisverkehr, wo der Busfahrer wendet. Ich dachte sehr oft, dass ich auf der falschen Straßenseite stehe, da ich eigentlich in die andere Richtung gemusst hätte. Trotzdem bin ich in den Bus in die vermeidlich falsche Richtung eingestiegen. Dieser fuhr nun zum nächsten Kreisverkehr, umrundete eben jenen und fuhr schließlich doch in die richtige Richtung.
- Busfahren ist vor allem als Student günstiger als in Berlin.
Bis zu meinem nächsten Beitrag über andere Bereiche der britischen Kultur schlage ich mich weiter tapfer durch den deutschen Alltag und versuche mich an alles zu erinnern.